EuZW (= Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht)
Heft 2/ 2004, S. 51

Rezension

Umfang der Berechtigungen und Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen. Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit, dargestellt am Beispiel des WTO-Übereinkommens.

Von Christiane A. Flemisch. - Frankfurt am Main; Berlin; Bern; Bruxelles; New York; Oxford; Wien, Peter Lang, 2002, 327 S., Euro 50,10.

von Raoul Muhm (LMU)

Das vorliegende Werk geht auf eine Dissertation an der Universität Bayreuth zurück. Es widmet sich den aktuellen Problemen des Welthandelsrechts im Verhältnis zur Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften bzw. der nationalen Rechtsordnungen.

So stellt das Buch zunächst den aktuellen Hintergrund der Thematik sowie die Entstehung und die Rechtsnatur des Welthandelsrecht im Verhältnis zum europäischen Gemeinschaftsrecht bzw. den nationalen Rechtsordnungen dar. Im Anschluß hieran werden die Bindung an das Welthandelsrechts sowie die Fragen der Verantwortlichkeit und Haftung vor dem Hintergrund der Problematik des gemischten Abkommens dargestellt. Ebenfalls auf dieser Basis wird die Frage des Ranges des Welthandelsrechts ausführlich dargestellt. Dabei bleibt das Werk nicht bei den bisher vertretenen Auffassungen stehen, sondern entwickelt eigene Lösungsansätze und Lösungen. Die Verfasserin kommt schließlich zum einzig richten Ergebnis: Welthandelsrecht ist in allen seinen Erscheinungsformen vorrangig vor Gemeinschaftsrecht.

Einen weiteren Schwerpunkt nehmen die Ausführungen zur unmittelbaren Anwendbarkeit ein. Zutreffend differenziert die Autorin zunächst zwischen Geltung und unmittelbarer Anwendbarkeit. Im folgenden werden verschiedene Auffassungen zum Begriff der unmittelbaren Anwendbarkeit beleuchtet. Auch hier bleibt die Verfasserin nicht bei bereits bekannten und für unzutreffend befundenen Ansichten stehen. Vielmehr kommt sie zu einer rechtlich einleuchtenden sowie praktikablen Abgrenzung. Als Oberbegriff verwendet die Autorin den Begriff der „Wirkungsformen des Welthandelsrechts im Gemeinschaftsrecht bzw. im nationalen Recht“. Zunächst müsse eine Bestimmung gelten, zumal die Geltung Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit ist, das heißt, sie müsse beanspruchen, beachtliches Recht zu sein. Im Rahmen der Berechtigungen und Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen differenziert das Werk zwischen verschiedenen Formen und Intensitäten. Unmittelbar anwendbar ist eine Bestimmung, „wenn und soweit sie für ihre Anwendung nicht von dem Erlaß von Durchführungsvorschriften abhängt.“ Davon abzugrenzen ist der Begriff der subjektiven Rechte und Pflichten, der die unmittelbare Anwendbarkeit voraussetzt. Hierauf folgt eine Darstellung, wie die unmittelbare Anwendbarkeit zu bestimmen ist. Schließlich findet die Erörterung und Kommentierung der EuGH-Rechtsprechung, welche von Widersprüchen gekennzeichnet ist, breiten Raum. Die Verfasserin versäumt es hierbei nicht, die wesentlichen Unterschiede zwischen dem GATT´47 und dem neuen WTO-System herauszuarbeiten. Infolgedessen könne der Rechtsprechung zum alten GATT-System nicht ohne weiteres gefolgt werden. Fazit diesen Kapitel ist: Die Anerkennung der unmittelbaren Anwendbarkeit einer welthandelsrechtlichen Vorschrift hängt jeweils von der einzelnen Bestimmung ab; es lassen sich keine Argumente aus dem WTO-System gewissermaßen vor die Klammer ziehen, die generell gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit sprechen. Die Inkongruenzen der Rechtsprechung der europäischen Gerichtshöfe wird ausführlich dargelegt.

Berücksichtigt wird in dem Buch auch die Wirkung von Streitbeilegungsentscheidungen sowie die welthandelsrechtskonforme Interpretation des Gemeinschaftsrechts bzw. nationalen Rechts.

In einem letzten Teil untersucht die Verfasserin ausgewählte Bestimmungen des Welthandelsrechts auf ihre unmittelbare Anwendbarkeit.

Insgesamt leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zum Verhältnis Welthandelsrecht- europäisches Gemeinschaftsrecht bzw. nationales Recht. Sein besonderer Verdienst liegt zum einen in der umfassenden Aufarbeitung der bereits vorhandenen umfangreich vorhandenen deutschen und internationalen Literatur und Rechtsprechung, zum anderen in der Entwicklung eigener Lösungen zur den sich stellenden juristischen Problemen. Damit ist es ein unverzichtbares Werk für alle, die sich mit dem Welthandelsrecht befassen, aber auch für die Völker- und Europarechtler.

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