BUCH-KRITIK
Verliebt wie nur einmal im Leben

Myriam Muhm
Italiens Jugend ist derzeit "Drei Meter über dem Himmel"
Das Buch, über das gerade alle italienischen Jugendlichen sprechen, ist ein Überraschungserfolg. Zunächst erschien das 300-Seiten-Werk in einem kleinen römischen Verlag und wurde in Kopien weitergereicht. Schnell wurde es so bekannt, dass der Feltrinelli-Verlag auf Federico Moccias Buch aufmerksam wurde und es druckte. Innerhalb weniger Wochen verkaufte sich "Drei Meter über dem Himmel" rund 140 000 Mal. In Italien, wo - verglichen mit dem übrigen Europa - wenig gelesen wird, ist der Erfolg dieses Buches fast unerklärlich.
Der Roman erhebt keine literarischen Ansprüche, noch erzählt er eine besonders phantasievolle Geschichte. Es geht um die Liebe: Zwei Jugendliche treffen sich in Rom. Sie, Babi, stammt aus gutem Hause und wagt den Werten ihrer Familie kaum zu widersprechen. Er, Step, ist ebenfalls aus guten Verhältnissen, aber voller Aggressivität, seit er vom Seitensprung seiner Mutter erfahren hat.
Die Personen führen ein italienisches, inzwischen eher amerikanisch geprägtes, langweiliges Leben, das der Roman in seiner ganzen Kälte entlarvt. Umso mehr folgt man den Ereignissen, die Step und Babi zusammenführen, den Wagnissen, die sie beide mutig eingehen, bis sie endlich glücklich sind. Der Leser lacht mit den beiden, empfindet Traurigkeit, wenn Step nachts alleine auf seinem Motorrad durch Rom fährt, weil er seine "Julia" nicht treffen darf. Und man verfolgt diese zarte, aber starke erste Liebe mit bis zum ihrem Ende. Einem Ende, an dem einer der beiden erwachsen wird und eine kalte Entscheidung trifft.
Federico Moccia, der 40jährige Autor des Buchs, ist selbst überrascht von seinem Erfolg. Er glaubt, dass sein Roman ein Katalysator unausgesprochener Emotionen sei. "Diese Jugend", versucht er sich an einer Erklärung, "ist ständig auf Achse: von der Schule rasch nach Hause, danach ins Fitnesscenter, später stundenlang auf dem Moped unterwegs. Abends Pizza essen, weiter herumfahren, tanzen gehen, ein paar leichte Drogen nehmen und so weiter." Sein Roman stelle gegen diese Hektik eine innere Welt. Eine Welt, die sich gegen die von außen vermittelten Gewissheiten auflehne.
Fragt man Leser nach dem Roman, sprechen sie von einer unglaublichen Wirkung: Man wacht erneut auf, sagen sie, und verspürt die Sehnsucht zu leben und vielleicht auch sich wieder so zu verlieben und etwas zu wagen, so dass man selbst, und sei es auch nur für kurze Zeit, die Glückseligkeit erleben vermag, "Drei Meter über dem Himmel" zu verweilen.
miryam-muhm.jetzt.de
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Miryam Muhm, Verliebt wie nur einmal im Leben, in: Süddeutsche Zeitung, 15. Juni 2004, S. 44

 

 

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