Rezension in Europarecht (EuR) Heft 6 2006 S. 890
Muhm-Caselli: "Die Rolle des Staatsanwaltes - Erfahrungen in Europa"
Advogada Michelle Regiani L.L.M., München

 


Raoul Muhm , Gian Carlo Caselli (Hrsg.):
Die Rolle des Staatsanwaltes - Erfahrungen in Europa.
Il ruolo del Pubblico Ministero - Esperienze in Europa.
Le role du Magistrat du Parquet - Expériences en Europe.
The role of the Public Prosecutor - Experiences in Europe.
Vecchiarelli Editore Manziana (Rom) 2005. ISBN:88-8247-156 - X , 225 S.

 

Das Buch behandelt das sensible Verhältnis zwischen Politik, Wirtschaft und Justiz sowie das viel diskutierte Problem der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft in Deutschland und in einigen anderen europäischen Staaten.
In die Beiträge fließen die über Jahre hin gesammelten Erfahrungen der aus unterschiedlichen europäischen Ländern stammenden namhafter Autoren mit ein . Raoul Muhm ist Rechtsanwalt in München, Verfasser zahlreicher Beiträge in renommierten europäischen Fachzeitschriften und schon Lehrbeauftragter an der Ludwig- Maximilians Universität München . Gian Carlo Caselli , seines Zeichens Nachfolger des von der Mafia ermordeten Chefanklägers von Palermo, Falcone , war Vertreter Italiens bei Eurojust und ist Generalstaatsanwalt in Italien . Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er u.a. wegen seiner Ermittlungen gegen Terroristen und vor allem gegen Silvio Berlusconi bekannt. Winfried Maier war Staatsanwalt und ist wegen seiner Tätigkeit im Rahmen der Ermittlungen im Fall Kohl bekannt geworden. Erardo Cristoforo Rautenberg ist in Brandenburg Generalstaatsanwalt, Klaus Pförtner in Frankfurt Oberstaatsanwalt . Pefecto Andres Ibanez sowie Eduardo Maia Costa sind jeweils Vorsitzende Richter am Obersten Gerichtshof in Madrid und Lissabon sowie Herausgeber mehrerer wissenschaftlicher Fachzeitschriften.
Das Werk setzt sich vor dem Hintergrund des immer fortschreitenden europäischen Einigungsprozesses u.a. ausführlich mit der Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Exekutive auseinander.
Dabei wird zunächst der historische Ursprung dieser Zuordnung dargestellt. Im Anschluss werden die einzelnen Gefahren im Zusammenhang mit der Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Exekutive aufgeführt. In diesem Kontext wird z.B. vorgeschlagen das Recht der Justizminister zur Aufsicht und der Leitung in § 147 Nr. 1 und 2 GVG zu beseitigen und die Staatsanwaltschaft in die Regelung des Art 92 GG einzubeziehen (S. 168 ff.). Zur Begründung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft wird u.a. auf das so genannte ?Italienische Modell? (Raoul Muhm) , welches ein weltweites Paradigma darstellt, sowie auf das ?Lettische Modell? (Erardo Cristoforo Rautenberg) verwiesen. In Lettland wird die Staatsanwaltschaft zwar nicht , wie in Italien, von der Verfassung geschützt, jedoch das lettische Gesetz über die Staatsanwaltschaft beschreibt die Staatsanwaltschaft ebenfalls als unabhängige, selbständige Organisation, die der Rechtsprechung zugeordnet ist. Damit sei nach Ansicht von Erardo Cristoforo Rautenberg (S. 171) belegt, dass eine in die Jurisdiktion vollständig integrierte Staatsanwaltschaft grundsätzlich so strukturiert werden kann, dass sie ihre originären Aufgaben ohne justizfremde Beeinflussung erfüllen könne, ohne dabei zu einem unkontrollierbaren Machtfaktor innerhalb des Rechtsstaates zu verkommen.
Dieses, aus einem europäischen Blickwinkel, lehrreiche Buch besticht vor allem durch seine zahlreichen, konstruktiven und reellen Lösungsansätze und spendet denjenigen Mut, die der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft in Deutschland seit jeher skeptisch gegenüberstehen.


 

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